„Nur von Idioten umzingelt“ – Wenn deine Arbeitskollegen dich depressiv machen

Heute möchte ich über ein Thema schreiben, das mich seit einiger Zeit bereits bedrückt und bei dem ich mir sicher bin, dass es auch vielen anderen Menschen so geht. Es geht darum, dass man selbst ein motivierter Mitarbeiter ist, der sich nicht davor scheut neues zu lernen und seinen Horizont zu erweitern und vorallem auch darum, das man sich über die aktuellen News in seiner Branche informiert und entsprechend darauf reagiert. Und dann hat man da diese Kollegen, denen eigentlich nur am Ende des Monats der Gehaltszettel wichtig ist…

Als ich vor einigen Jahren den Quereinstieg in die Informatik gewagt habe, war ich mir unsicher ob ich das richtige tue und ob ich mit den Kollegen mithalten könnte. Ich bin gelernter Elektroniker, aber hatte mich schon von klein auf für alles mögliche interessiert, das mit Computern zu tun hatte. Das fing an von Computerspiele spielen, dann der Einstieg in die Softwareentwicklung damals mit Visual Basic, Netzwerktechnik und Hardware. Auch wenn ich kein Informatik-Studium in der Tasche hatte, dachte ich, ich könnte durch meine Erfahrungen die ich im privaten Umfeld gemacht habe dennoch genügend Wissen und Talent mitbringen, um auch in der professionellen Arbeitswelt zu bestehen. Ich hatte recht.

Zu Beginn meiner brandneuen Arbeitsstelle hatte ich einen Kollegen (nennen wir ihn Max), der mich in die neue Position einarbeiten sollte. Dieser Kollege ist mein Vorgänger gewesen, der aufgrund seines eigentlichen Wohnortes nicht länger an meinem Standort arbeiten mochte. Er war, wie ich mir alle IT-Spezialisten immer vorgestellt hatte: Jung, dynamisch, klug, wissbegierig, talentiert, immer offen für neue Technologien. Und dann gabs da noch zwei weitere ältere Herrschaften (nennen wir sie Franz und Hubert), die genau das Gegenteil von alledem verkörperten. Anfangs dachte ich mir nichts dabei, ich wusste auch nicht so recht, mit welchen Menschen ich hier zu tun hatte und ich konzentrierte mich darauf, so schnell und gut wie möglich mich in meine neue Stelle einzuarbeiten. Ich hatte nicht soviel Zeit, denn Max kam nach wenigen Wochen nur noch sporadisch zu meinem Arbeitsstandort und konnte mich immer weniger intensiv einarbeiten und mich unterstützen. Ich war also nach nur einer sehr kurzen Zeit beinahe komplett auf mich allein gestellt.

Trotzdem lernte ich schnell und viel. Nach relativ kurzer Zeit verstand ich die Netzwerkinfrastruktur, die – wie ich zugeben mus – sehr komplex aufgebaut ist, ich verstand wie Applikationen den Benutzern zur Verfügung gestellt wurden und wie die einzelnen Komponenten miteinander agieren und verknüpft sind. Nach einigen wenigen Monaten war ich bereits völlig selbstständig und benötigte keine Hilfe von Max mehr. Stattdessen drehte sich der Spieß langsam um. Immer öfter kamen Franz und Hubert und stellten mir Fragen über gewisse Dinge im hauseigenen Netzwerk, über Software die wir verwenden oder über Vorgehensweisen, die man bei bestimmtenen Prozessen anwenden sollte. Ich dachte mir nichts dabei, ich half ihnen so gut ich konnte und erklärte ihnen alles, was sie wissen wollten. Aber es hörte nicht auf, sie kamen immer wieder mit den selben Fragen. Dinge, die ich schon drei oder vier mal erklärt hatte, musste ich immer wieder erklären. Ich fing an Tutorials zu schreiben, mit Screenshots und exakten Schritt-für-Schritt Anleitungen, die trotz all meiner Bemühungen entweder nicht verstanden oder gar nicht erst gelesen wurden. Es ging irgendwann soweit, dass man mich nicht mal mehr nach Hilfe oder um Rat gefragt hat, sondern mir die Arbeit direkt auf den Schreibtisch legte, mit dem Kommentar „kümmere dich mal drum, da kennst Du dich besser aus„. Wo Hubert zumindest noch ein wenig Bemühungen zeigte sich das notwendige Wissen anzueignen, machte Franz keinen Hehl daraus, seine Inkompetenz und Ignoranz tagtäglich unter Beweis zu stellen.

Never change a running system. Ein Satz, der eigentlich scherzhaft gemeint ist, wird hier sehr ernst genommen. Veraltete Windows-Server, veraltete Office-Programme, veraltete Software im allgemeinen. Man möchte meinen, wenn bestimmte Kollegen seit 20 Jahren oder gar länger in der selben Firma arbeiten, dann wüssten sie alles was notwendig ist, um immer für die Zukunft gerüstet sein. Ich dachte, wenn man solange in einem IT-Beruf arbeitet, dann wüsste man auch das man immer dafür sorgen muss die neusten Security-Updates einzuspielen, veraltete und nicht mehr unterstütze Software durch neuere Version upzudaten, und so weiter und so weiter… Aber das ist leider nicht der Fall. Stattdessen stieß ich auf uralte Server mit dem Betriebssystem „Windows Server 2003“. Nochmal: WINDOWS SERVER 2003. Dieses Betriebssystem bekommt seit dem 14. Juli 2015 keine Updates mehr. Der Grund für die Existenz war so simpel wie dämlich: Die Datenbanksoftware darauf war mit aktuelleren Systemen nicht kompatibel und war aber ein wichtiger Bestandteil des Unternehmens. Warum also nicht einfach die Datenbank auf ein moderneres System übertragen? Nunja, das würde ja Expertise und Willen vorraussetzen, aber das hat durch die Bank einfach komplett bei allen gefehlt. Selbst bei Max, der eigentlich meiner Meinung nach hochintelligent und engagiert ist. (Randnotiz: Diesen uralten Server gibt es heute zum Glück nicht mehr und wurde mittlerweile ersetzt)

Zugegebenermaßen muss man auch sagen, dass die Chefetage, die solche Schritte eigentlich an die IT-Mitarbeiter delegieren sollte, etwas träge auf aktuelle Situationen reagiert. Oft funktioniert es, wenn man dem Boss ein paar Fakten auf den Tisch legt und sagt „Dies und das muss dringend erledigt werden“. Aber es funktioniert eben auch nicht immer und die Freigabe für die Arbeit zieht sich extrem in die Länge. Und der zweite Punkt ist, das weder Franz noch Hubert überhaupt solche Arbeiten erkannt und gemeldet haben. Wie weiter oben schon angemerkt spielt der Satz „Never change a running system“ eine ganz große Rolle und Systeme die seit 20 Jahren wunderbar laufen wurden auch nie von den beiden angefasst. Was mich auch schon zum nächsten Punkt bringt.

IT-News, Best practices, Security leaks/issues. Jeden Tag wenn ich ins Büro komme, ist eines der ersten Dinge die ich mache das durchstöbern von einschlägigen IT-Fachpresse-Websiten nach den neusten Nachrichten rund um meinen Beruf. Als vor kurzem zum Beispiel die berühmt-berüchtigte Log4J-Sicherheitslücke aufkam, machte ich mich sofort an die Arbeit um nach Software im Einsatz zu suchen, die Log4J verwendete. Ich informierte mich bei den Software-Herstellern ob es bereits Updates gab oder zumindest Workarounds. Und damit war ich komplett auf mich alleine gestellt. Tatsächlich bin ich mir auch heute noch nicht sicher, ob Franz und Hubert überhaupt von der Log4J-Lücke wissen?
Ein ähnliches Drama mit Unwissenheit und Desinteresse kam auf, als Covid-19 die runde machte und alle großen Firmen damit begannen, auf Microsoft Teams umzustellen, Homeoffice einzurichten, Remote-Arbeiten zu erledigen. Die Einführung von Teams in unserem Unternehmen ist nun auch schon einige Jahre her und man möchte glauben, das man sich bereits daran gewöhnt hat und die Funktionen von Teams kennt, vorallem wenn man eigentlich täglich damit arbeiten muss/kann/darf/soll. Aber leider Fehlanzeige: Jedes mal aufs neue muss ich Franz zeigen, wie man in Teams an einer Besprechung teilnimmt und wie man sein Headset korrekt einrichtet. Darüber hinaus bekam ich mal den Auftrag, Microsoft Teams innerhalb der Abteilung weiter voranzutreiben und Diskussionen, Anleitungen, Dokumentationen usw. alles über Teams zur Verfügung zu stellen. Ich hielt das für eine gute Idee und steigerte mich rein. Ich teilte alle Informationen über Teams, begann Diskussionen über geplante Projekte und schrieb immer alle Neuigkeiten hinein. Unser Teams wurde zu einer stattlichen Ansammlungen an Informationen zu allen Netzwerken und Systemen, Projekte und Modifikationen sowie Tipps und Tricks zum Troubleshooten von bekannten Problemem. Komplett geschrieben von mir und gelesen von… mir. Bis heute liest niemand all das, was ich dort poste. Stattdessen werde ich ab und zu mal gefragt „Wo finde ich dies und das?“ und ich antworte dann meist ganz trocken „In Microsoft Teams, habe ich letztes Jahr bereits dort geschrieben“.

Ich weiß, dass sich der bisherige Text so ließt als würde ich nur rumheulen. Aber nur um das zu verdeutlichen: Franz und Hubert sind langjährige IT-Administratoren, die Zugriff auf mehrere Active-Directory Infrastrukturen haben und die komplette IT eines gesamten Unternehmens verwalten sollen. Und dann muss man ihnen erklären, wie man in Microsoft Teams mit anderen Leuten spricht?

Ich bin nun schon seit über vier Jahren hier tätig und gucke mir das Trauerspiel an. Aktuell ist es so, dass ich mittlerweile notwendige Arbeiten meinem Chef vorlege und er dies dann entsprechend weiter delegieren soll. Ich bin froh, dass sich das zumindest in dieser Hinsicht so entwickelt hat, denn zuvor musste ich alle Arbeiten immer selbst erledigen, was irgendwann dazu führte das ich komplett überladen mit Projekten war, während Franz sich hinter ADUC versteckte und alle paar Tage mal ein Passwort eines Benutzers änderte. Was Hubert den ganzen Tag treibt weiß ich nicht so genau, er verbringt den Großteil der Zeit außerhalb des Büros. Ich weiß aber, dass er neben der IT auch noch andere Tätigkeiten zu erledigen hat. Es sei ihm daher verziehen, dass er nicht 100%ig in allen Themen voll drin ist und ab und zu mal nachfragen muss.
Leider funktioniert das delegieren lassen auch nur bedingt. Denn insbesondere Franz sitzt ungemütliche Arbeiten gerne aus und wartet darauf, dass ich sie erledige. So wie letztes Jahr: Eines unserer eingesetzten Software lief aus und bekommt seit 2022 keine wichtigen Updates mehr. Der Auftrag war, die alte Software durch ein neueres Produkt zu ersetzen, die Deadline war Ende des Jahres 2021. Bekannt und zugewiesen wurde das Projekt irgendwann im Sommer. Es war also mehr als genug Zeit für Franz die Migration durchzuführen, aber bis Ende des Jahres wurden genau 0 Stunden darin investiert. Ich wusste von der Dringlichkeit der Migration und das dies ein sehr wichtiges Projekt war, aber ich hielt mich absichtlich raus, habe nichts gesagt und auch selbst nichts unternommen. Ich ging in den Weihnachtsurlaub und als ich zwei Wochen später im Januar 2022 wieder ins Büro ging, war quasi eines der ersten Dinge die ich vom Chef hörte, dass ich mich doch bitte dem Migrations-Projekt annehmen soll, weil sonst nichts vorwärts geht. Franz hat es mal wieder geschafft. Ein Projekt, das er nicht machen wollte und auch kein Interesse hatte sich darin einzuarbeiten, hatte er erfolgreich ausgesessen. Stattdessen bekam ich nur einen Kommentar von der Seite zu hören „Der Damian erstellt Arbeitspakete und ich muss sie erledigen?!“ – Ja, Franz. Denn wenn ich jemand anderen die Planung überlassen würde, dann würde unsere Domäne heute noch unter Windows Server 2008 R2 laufen.

Aber wie geht man ein solch heikles Thema am besten an? Wie erklärt man seinen Kollegen, dass sie komplett unnütz, unwissend und inkompetent sind? Wie ermutigt man sie dazu, sich mehr mit ihrem eigenen Job zu identifizieren? Diese Fragen stelle ich mir schon lange und das Migrations-Projekt war eine Gelegenheit, bei der ich hoffte das er tätig werden würde, da die Anweisung immerhin vom Chef persönlich kam. Aber leider wurde ich enttäuscht, selbst hierbei zeigte er absolut kein Interesse an seinem Beruf.
Es scheint, als wenn manche Menschen nur versuchen ihre 8 Stunden abzusitzen und dann nach Hause zu fahren. Es scheint, als wenn ihnen einfach alles egal ist und das einzige worauf es ankommt ist, das am Monatsende die Gehaltsüberweisung da ist. Das mag zwar in einigen Berufen funktionieren, bei denen der technologische Fortschritt eher langsam von statten geht. Aber insbesondere in der Informatik, in dem quasi wöchentlich irgendwas neues passiert und immer wieder neue Gefahren für die Computersysteme auftauchen um die man sich kümmern muss, sollte… nein MUSS man immer am Ball bleiben. Es reicht einfach nicht, wenn man vor 20 Jahren mal eine Access-Datenbank erstellt hat und dann erwartet, dass sie im Jahre 2022 noch genauso läuft wie damals. Klar, das tut sie, wenn man niemals die dahinter liegende Software und das Betriebssystem updated. Aber das ist nunmal ein wesentlicher Bestandteil des Berufs „Informatiker“ und ein Garant für die weitere funktionstüchtigkeit der kompletten Firma.

Als beinahe Einzelkämpfer in einer großen Firma tätig zu sein, als einziger der sich mit neuen Technologien und Möglichkeiten beschäftigt, der sich tagtäglich über die neusten Entwicklungen und Ereignisse informiert und dann am Ende aber niemanden hat, mit dem er darüber reden, diskutieren und philosophieren kann und maximal Sätze zu hören bekommt wie „Dann mach doch.“ (oder man teilweise komplett ohne jeden Kommentar stehen gelassen wird) macht einem über kurz oder lang depressiv. Wo einst viel Freude an der Arbeit war und man mit Spaß und Spannung täglich ins Büro gefahren ist, finde ich heute noch nur noch eine bedauernswerte Leere vor mir und so langsam schleicht sich auch bei mir die Demotivation ein, bestimmte Dinge vorran zu treiben. Never change a running system hört sich eigentlich gar nicht so schlecht an, wenn man wie David vor Goliath steht und dabei keine Unterstützung zu erwarten hat.

Wie ist es bei euch? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht und wollt davon berichten? Habt ihr vielleicht sogar eine Lösung für derartige Probleme gefunden, die nicht unbedingt sofort mit einem Jobwechsel zu tun haben? Schreibt sie in den Kommentaren und lasst davon hören! Ich bin sehr gespannt auf Eure Geschichten.

Quelle Beitragsbild: https://pixabay.com/de/photos/paar-streiten-uneinigkeit-6471113/

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